Graf Richard von der Normandie erschrak in seinem Leben nie. Er schweifte Nacht wie Tag umher; manchem Gespenst begegnet' er; doch hat ihm nie was Grau'n gemacht, bei Tage noch um Mittemacht. Weil es so vieI bei Nacht tät reiten, so ging die Sage bei den Leuten, es seh in tiefer Nacht so licht als mancher wohl am Tage nicht. Er pflegte, wenn er schweift' im Land, sooft er wo ein Münster fand, wenns offen war, hineinzutreten, wo nicht, doch außerhalb zu beten. So traf er in des Nacht einmal ein Münster an im öden Tal. Da ging er fern von seinen Leuten nachdenklich, ließ sie fürbaß reiten. Sein Pferd er an die Pforte band, im Innern einen Leichnam fand. Er ging vorbei hart an der Bahre und kniete nieder am Altare, warf auf 'nen Stuhl die Handschuh eilig, den Boden küßt' er, der ihm heilig. |
Noch hat er nicht gebetet lange, da rührte hinter ihm im Gange der Leichnam sich auf dem Gestelle. Der Graf sah um und rief: "Geselle! Du seist ein Guter oder Schlimmer, leg dich aufs Ohr und rühr dich nimmer!" Dann erst er sein Gebet beschloß (weiß nicht, ob's klein war oder groß), sprach dann, sich segnend: "Herr, mein Seel' zu deinen Händen ich empfehl'!" Sein Schwert er faßt' und wollte gehn. Da sah er das Gespenst aufstehn, sich drohend ihm entgegenrecken, die Arme in die Weite strecken, als wollt' es mit Gewalt ihn fassen und nicht mehr aus der Kirche lassen. Richard besann sich kurze Weile, er schlug das Haupt ihm in zwei Teile, Ich weiß nicht, ob es wehgeschrien, doch mußts den Grafen lassen ziehn. Er fand sein Pferd am rechten Orte. Schon ist er aus des Kirchhofs Pforte, als er der Handschuh erst gedenkt. Er läßt sie nicht, zurück er lenkt, hat sie vom Stuhle weggenommen - wohl mancher wär nicht wieder kommen. |
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