Die Wehklage

Melodie -

Graus war die Nacht, und um die Giebel
Des Pächters Wohnung heult der Sturm.
Der fromme Greis las in der Bibel,
Und sieben schlugs vom Kirchenturm.
Gott, rief Lenore, mit Erbleichen,
Schon sieben und Georg nicht hier,
Sein dunkler Weg führt an den Teichen,
Ach, welch ein Unglück ahnet mir.

Der Sohn des Försters in der Heide
War ihr verlobter Bräutigam,
Und glühend schlug ihr Herz voll Freude,
Wenn der geliebte Jüngling kam.
Ein Jahr lang trat er alle Tage
Vor Sonnenuntergang ins Haus,
Doch mit dem neunten Glockenschlage
Kam heut die Nacht, und er blieb aus.

Lenore eilt ihm rasch entgegen
Und stürzte dann mit starrem Blick
Und atemlosen Herzensschlägen
Ins väterliche Haus zurück.
Helft, Vater, helft, im Uferschilfe
Des Rohrteichs stöhnt ein Klageton.
Es ist Georg, er ruft um Hilfe.
Kommt, Vater, rettet euren Sohn.

Der Alte schüttelte bedächtig
Die grauen Locken: Kind, du weißt,
Seit hundert Jahren wimmert nächtlich
Dort einer edlen Gräfin Geist.
Verirrt bei Nacht zum Pfuhl der Unken,
Ist sie mit Wagen und Gespann
Im bodenlosen Meer versunken
Und warnet nun den Wandersmann.

Ach, laßt das Märchen, bat Lenore,
Kommt, rettet, eh das Herz ihm bricht.
Es ist Georg, er ruft um Hilfe,
Und seine Stimme täuscht mich nicht.
So bat sie kniend, bat unsäglich,
Doch bauend auf der Sage Wort,
Blieb Vater Martin unbeweglich,
Und die Verzweiflung riß sie fort.

Helft, Leute, helft, im Uferschilfe
Des Rohrteichs, da ertrinkt ein Mensch,
Um Gotteswillen, habt Erbarmen,
Um Christiwillen, rühret euch,
Doch wie durch einen Bund verschworen,
Antworten alle träg und lau:
Da wäre jeder Schritt verloren,
Es ist der Ton der Klagefrau.

Dem Alten wird im stillen Hause
Auf einmal sonderbar zu Sinn,
Es treibt ihn aus der engen Klause
Zu seinen Nachbarsleuten hin.
Die Dorfschaft, von ihm aufgeboten,
Entschließt sich nun zum Rettungsgang,
Zwölf helle Kiefernfackeln lohten
Um Mitternacht den Teich entlang.

Da sah man, Schrecken ohnegleichen,
Unfern vom Ufer in dem Ried
Zwei Brust an Brust gelehnte Leichen,
Die selbst des Todes Macht nicht schied.
Ein grauer Stein, auf dem zwei Tauben
Sich schnäbeln, deckt der Treuen Grab.
Flieht Aberglauben, stand geschrieben,
Der sie dem Tod zum Opfer gab.

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