Die Lindenwirtin Hospitia sub tilia

Melodie - Melodie - Franz Wilhelm Abt, 1819-1885

Rudolf Baumbach, 1840-1905

1. Keinen Tropfen im Becher mehr
Und der Beutel schlaff und leer,
Lechzend Herz und Zunge,
Angetan hat's mir dein Wein,
Deiner Äuglein heller Schein
|: Lindenwirtin, du junge! :|

2. Und die Wirtin lacht und spricht:
"In der Linde gibt es nicht,
Kreid' und Kerbholz leider;
Hast du keinen Heller mehr,
Gib zum Pfand dein Ränzel her,
|: Aber trinke weiter." :|

3. Tauscht der Bursch sein Ränzel ein,
Gegen einen Krug voll Wein,
Tät' zum Geh'n sich wenden.
Spricht die Wirtin: "Junges Blut,
Hast du Mantel, Stab und Hut,
|: Trink und laß dich pfänden." :|

4. Da vertrank der Wanderknab'
Mantel, Hut und Wanderstab,
Sprach betrübt: "Ich scheide.
Fahre wohl du kühler Trank,
Lindenwirtin jung und schlank,
|: Schönste Augenweide." :|

5. Spricht zu ihm das schöne Weib:
"Hast ja noch ein Herz im Leib,
Lass' es mir zum Pfande!"
Was geschah, ich tu's euch kund:
Auf der Wirtin rotem Mund
|: Heiß ein andrer brannte! :|

6. Der dies neue Lied erdacht,
Sang's in einer Sommernacht
Lustig in die Winde.
Vor ihm stand ein volles Glas,
Neben ihm Frau Wirtin saß
|: Unter der blühenden Linde :|


Noch einige Strophen
Und der Studio der Chemie,
Saß der Wirtin vis-a-vis,
Von Geburt viel schlauer.
Er erhob sein volles Glas,
Prüft mit Lakmus: Was ist das ? -
|: Die Reaktion war sauer. :|

Auch ein junger Chemikus,
Bat Frau Wirtin um einen Kuß,
Unter der blühenden Linde.
Er hat sie zu stark jonisiert,
Sodaß sie sauer reagiert,
|: Unter der blühenden Linde. :|

Auch ein Elektrotechnikus,
Bat Frau Wirtin um einen Kuß,
Unter der blühenden Linde.
Und Frau Wirtin war ihm hold,
Gab ihm einen von tausend Volt,
|: Unter der blühenden Linde. :|

Und der hohe Fuchsmajor,
Warnt die Füchse bang davor,
In Coleur zu küssen.
Wenn es aber niemand sieht,
Wenn's im Dunkels stets geschieht,
|: Kann er's nur begrüßen. :|

Auch ein Germanist errang
Sich der Wirtin Minnedank;
Doch er tät' ihr künden,
Wie in grauer Väterzeit
Liebe geendet mit Herzeleid
|: Durch ein Blatt einer Linden. :|

Auch ein junger Handelsmann,
Hielt bei der Frau Wirtin an,
Unter der blühenden Linde.
Und bei einem Kruge Wein's,
Wurden sie bald handelseins,
|: Küßten sich unter der Linde. :|

Auch so ein rußiger Hüttenmann,
Trug sich um ein Küßchen an,
Unter der blühenden Linde.
Keinem gab sie mehr 'nen Kuß -
Weil sie sich jetzt waschen muß,
|: Unter der blühenden Linde. :|

Daß sie küßte der Jurist,
Gar nicht zu verwundern ist,
Denn es ist nichts Schlechtes;
Hängt ja doch das Wort: jus, jus,
Eng zusammen mit dem Kuß,
|: Denn er ist was "Rechtes". :|

Ein Student der Landwirtschaft,
Kam auf seiner Wanderschaft
Unter die blühende Linde.
Hätt' Frau Wirtin gern geküßt,
Doch er stank so sehr nach Mist,
|: Daß sie entfloh geschwinde. :|

Und ein Mathematikus,
Bat Frau Wirtin um einen Kuß,
Unter der blühenden Linde.
Aus dem einen wurden zwei,
Aus den zweien 'ne unendliche Reih',
|: Unter der blühenden Linde :|

Und der Mediziner spricht:
"Euch, Frau Wirtin, küss' ich nicht,
Wegen der Bazillen.
Doch ihr habt ein Töchterlein,
Weil das ist so nett, so fein,
Na, um Gottes Willen,
Riskier' ich die Bazillen."

Kam ein andrer Medikus,
Bat Frau Wirtin um einen Kuß,
Unter der blühenden Linde.
Sprach Frau Wirtin: "Fahre wohl,
Denn du stinkst ja nach Karbol
|: Unter der blühenden Linde. :|

Und vom vielen Küssen wund
War der Wirtin roter Mund,
Horae vespertinae.
Kam ein Pharmazeut daher
Und besah sich das Malheur:
|: Recipe vaselinae! :|

Von der klass'schen Philologei,
War ja auch ein Sohn dabei,
Unter der blühenden Linde.
Lehrte einst doch schon Catull,
Horaz, Ovid und auch Tibull:
|: Küssen ist keine Sünde! :|

Und der Philosoph, nicht dumm,
Bat sie um ein osculum,
Wenn auch nur ein kleines;
Doch Frau Wirtin lacht und spricht:
"Auf lateinisch küßt man nicht!"
|: Und sie gab ihm keines. :|

Horch', da kommt ein Physikus,
Raubt der Wirtin Kuß auf Kuß,
Unter der blühenden Linde.
Und sie spricht: "Er ist ein Mann,
Der recht thermisch küssen kann,
|: Unter der blühenden Linde!" :|

Hört ihr nun den Technikus,
Seine Meinung über'n Kuß:
Küssen gehöret zur Technik.
Denn zwei Pole zieh'n sich an,
Wenn auch nur auf momentan,
|: Unter der blühenden Linde :|

Kam ein fescher Technikus,
Bat Frau Wirtin um einen Kuß,
Unter der blühenden Linde.
Doch vor lauter r2pi
Kam er doch zum Küssen nie,
|: Unter der blühenden Linde. :|

Auch ein Herr Theologus,
Bat sie schüchtern um einen Kuß,
Unter der blühenden Linde.
Und Frau Wirtin tat es gern,
Gab ihm einen im Namen des Herrn
|: Unter der blühenden Linde :|

Wißt ihr, wer der Knabe war,
Blau von Aug' und blond von Haar?
's war ein Theologe,
Der der Theologei zum Hohn
Aus dem Kasten war entfloh'n
|: Unter die blühende Linde :|

Kam ein Veterinär dazu,
Führt am Halfter eine kranke Kuh,
Unter die blühende Linde,
Kaum tat er die Wirtin seh'n,
Ließ er gleich das Rindvieh steh'n,
|: Unter der blühenden Linde. :|

Und der Zahnarzt gar nicht faul,
Greift Frau Wirtin in das Maul,
Unter der blühenden Linde.
Denkt, sie braucht ja ganz gewiß
Nach dem Kuß ein neu' Gebiß
|: Unter der blühenden Linde. :|

Als der Lindenwirt es sah,
Was mit seiner Frau geschah,
Hielt er es für Sünde.
Und er nahm den Wanderstab,
Prügelte den Wanderknab',
|: Unter der blühenden Linde. :| 


Hospitia sub tilia
1. Nulla gutta in poculo,
Nullus as in marsupio,
Languent cor et ora.
Vinum tenet lucidum
Me et nitor luminum,
Hera o decora!

2. "Notare creta non est mos,
Deficiente ea nos",
Hospita ridere.
"Si habes assem nullum iam -
Pigneri pone perulam,
Perge sed sorbere!"

3. Commutata perula
Cum spumante situla,
Ille vult meare.
Dicit hera: "Bibedum!
Laenam, baclum, pileum
Debes pignerare!"

4. Puer bibens perdit tum
Laenam, baclum, pileum,
Maestus dixit: "Cedo,
Vale, potio frigida
Et procera hospita,
Luminum dulcedo!"

5. Dixit pulchra femina:
"Si habebis pectora,
Mihi pignerato!"
Quid sit factum, narro nunc,
Ardens os in ore tunc,
Arsit inflammato.

6. Cantum qui hunc cecinit,
Nocte leni tetigit
Auras laeta mente.
Pocula sunt posita,
Iuxta sedit hospita
Tilia sub florente.

Scyphus sine guttula,
Saccus sine pecunia,
Sitis est fatalis.
Mero tuo nil suavius
Et ocellis nil clarius,
Hospitia virginalis.

"Non refertur in tabulam,
Qoud non habeo cretulam,"
Copa cachinnatur.
"Si crumena est vacu,
Mi pro pignore peram da!
Porro tum bibatur!"

Peram iuvenis porrigit,
Urnam vini accipit,
Ire vult rebus paratis.
Copa tum: "Est pallium,
Pilleus ac baculum;
Bibe pignoribus datis!"

Bibens ille perdidit,
Quidquid antea habuit;
Tristis tum: "Discedo.
Vale, potio frigida
Et procera hospita!
Te suavissimam credo."

Dicit pulchra propere:
"Pulsat cor in pectore,
Quod sit meum ipsius!"
Factum vobis defero:
Copae in ore rutilo
Arsit os alterius.

Carmen qui composuit,
Nocte aestiva cecinit
Vento obstrepente.
Ante eum pocula,
Iuxta pulchra hospita
Tilia sub florente.

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