Ein Landmädchen

Melodie -

Max Mell

1. Wo ein Haus mit treuen Händen
alte Kraft und Zucht bewahrt,
dem gedeiht in seinen Wänden
wohl ein Kind besondrer Art:
Aller Ahnen innig Walten
scheint an ihm hervorzugehn,
sich noch reiner zu entfalten -
solch ein Menschenkind ist schön.

2. So auch sie, der wir begegnet:
Manche Rede macht' uns klar,
da mit ihrem Sein gesegnet
nicht ihr Vaterhaus nur war;
nein, im ganzen Tale schweben
wie des Frühlings ersten Hauch
fühlte man ihr junges Leben,
und nicht lang, so fühlt' ich's auch.

3. Über ihres Vaters Tennen,
wo die Wegchen allzuschmal
hohe Körnerdünen trennen,
wandelte sie leicht einmal,
wohl von dort auf unsre Höhe,
wo uns Haus und Gärtchen stehn,
Sprang sie dann gleich einem Rehe,
unsrer Arbeit nachzusehn.

4. Und wir grüßten mit Entzücken,
sahen sie nur dann und wann
unterm Schaufeln, unterm Bücken,
doch mit ganzem Blicke an;
und verrieten ihrem Fragen:
Himbeerhecken pflanzten wir;
unser Gärtchen sollte tragen
wie ein rechtes Waldrevier.
  5. Sie erzählt', wie die Spaliere
an des Hauses Südwand stehn,
und wie trollig junge Tiere,
die sie aufzog, anzusehn;
wie sie dann vom Wald erzählte
und der Bauernschaft im Wald!
Und wie jedes Wort beseelte
ihrer Stimme klarer Alt!

6. Worte zwar und Klang verwehten...
Doch da nahm ich überm Jahr
an dem Ort, den sie betreten,
unverhofftes Wachstum wahr:
Da ein kleines Trüppchen Ähren
aus dem Dorn die Häupter hob;
und ich sann, sie zu erklären,
und entbrannte heiß darob.

7. Und ich grüßte es, das Zeichen,
das voll Unschuld und beredt
kam, mir Botschaft darzureichen
über sie, die es gesät;
die zu unsres Schicksals Wegen
einen Schritt nur braucht zu tun
wie ein Engel und der Segen
fällt ihr aus den Bänderschuhn.

8. Unser Mühn pflanzt Dornensträucher,
dran man karge Beeren sucht,
doch von ihrem Schritte reicher
aus dem Acker steigt die Frucht.
Wir vollenden mit Beschwerde,
unser Wohltun wägt erst lang,
doch ihr Wandel gleicht der Erde
gütigem und großem Gang.

9. Daß noch solche Wesen werden,
das gibt Hoffnung, das gibt Mut;
Freunde, es ist gut auf Erden,
unter Menschen ist es gut!
Seht, wie überall das Leben
insgeheim auf Wohltat sinnt,
und welch Pfand dem übergeben,
welcher sie zum Weib gewinnt.


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