Fürst Leopold I. von Anhalt-Dessau
Der alte Dessauer *03.07.1676 09.04.1747 Der alte Dessauer - Dessauer Marsch |
Das widersprüchliche Bild vom anhaltischen Landesfürsten Leopold I. von Anhalt-Dessau, das Fontane in dieser Ballade respektvoll festhält, ergibt sich auch aus anderen Überlieferungen. Der sehr populäre Herrscher mit handfestem Humor, "Alter Dessauer" genannt, findet kein einheitliches Urteil. Zahlreiche Anekdoten ranken sich um den absolutistischen Landesfürsten, der heute seiner ehemaligen Residenzstadt Dessau als Werbeträger dient.Der Sohn des Fürsten Johann Georg II. (1627-1693) von Anhalt-Dessau und der oranischen Prinzessin Henriette Catharina (1637-1708) übernahm am 13. Mai 1698 die Regierung des Kleinstaates, den er in seiner fast fünfzig Jahre währenden Amtszeit wesentlich prägte und gestaltete.
Zur großen Volkstümlichkeit des Regenten trug u.a. seine unstandesgemäße Heirat mit seiner bürgerlichen Jugendliebe, der Apothekertochter Anna Luise Föhse (22.3.1677-5.2.1744) bei. Gegen den Widerstand seiner Mutter, die ihn mit einer mehrjährigen Kavalierstour durch Italien ablenken wollte, heiratete Leopold Anna Luise im September des selben Jahres. Es war ihm gelungen, die Zustimmung der fürstlichen Verwandten für diese Verbindung zu erlangen und sich so seine Regierungsfähigkeit zu erhalten. 1701 wird Anna Luise vom römisch-deutschen Kaiser Leopold I. in den Stand einer Reichsfürstin erhoben, wozu Geldgeschenke ihres Gatten nicht unerheblich beigetragen haben sollen.
In den ersten Regierungsjahren verfolgt Leopold die Politik seiner Eltern weiter. Sie richtete sich auf die Erschließung neuer Finanzquellen durch eine Steuerreform und förderte die Ansiedlung von Manufakturen (Dessauer Manufakturperiode).
Weitere Verdienste um Dessau erwarb er sich mit landesherrlichen Fürsorgemaßnahmen in der Landwirtschaft durch umfangreiche Entwässerungsarbeiten sowie durch eine rege Bautätigkeit. Unter dem "Alten Dessauer" wurde die Residenzstadt ab 1711 nach absolutistischer Stadtplanung mit sternförmigen Straßenkreuzungen und schnurgeraden Straßen ausgebaut. Auch wurden feste Brücken über Elbe und Saale errichtet und die Elbdeiche befestigt.
Allerdings litt die Landespolitik unter der ständigen Abwesenheit des Fürsten. Denn Leopolds eigentliche Neigung und Beschäftigung war das Militär. Dieser Neigung ging Leopold bald außerhalb des kleinen Fürstentums nach und trat 1693 in den Dienst des brandenburgischen Kurfürsten. Sein erstes Kommando erhielt er bereits als Jugendlicher, bei seinem letzten und bedeutenden Sieg, der Schlacht von Kesselsdorf im Dezember 1745, die den Österreichischen Erbfolgekrieg beendete, war er 69 Jahre alt. Die fremden Kriegsdienste entsprachen nicht nur Leopolds militärischen Ambitionen, denen sein eigenes kleines Fürstentum nicht genügend Raum bot, sondern hatten auch den angenehmen ökonomischen Nebeneffekt, Geld in die Landeskassen zu bringen. Zudem konnte Leopold auf diese Weise seine Interessen zugleich am Berliner wie am Wiener Hof vertreten.
Der Alte Dessauer diente drei preußischen Königen in der Phase des Aufstiegs Brandenburg-Preußens zur militärischen Großmacht: Er bewährte sich zunächst im Spanischen Erbfolgekrieg unter dem "großen Kurfürsten" Friedrich III. von Brandenburg, seit 1701 König Friedrich I. (1701-1713). Auf Betreiben des Kronprinzen ernannte Friedrich I. Leopold Ende 1712 zum Generalfeldmarschall und Geheimen Kriegsrat. Jenem, dem späteren König Friedrich Wilhelm I. (1713-1740), wurde Leopold zugleich politischer Ratgeber und persönlicher Vertrauter. Die Freundschaft zwischen dem "Soldatenkönig" und seinem Kriegsfürsten ist in einem lebenslangen Briefwechsel dokumentiert. 1709 hatten sie sich bei der Schlacht von Malplaquet in Flandern kennengelernt. Sie stimmten in ihren Auffassungen von einem absolutistischen Staatswesen sowie in persönlichen Vorlieben für Militär und Jagd überein. Im sog. "Tabakskollegium" des Königs pflegten sie gesellige Kontakte - selbst wenn der Nichtraucher Leopold in diesem Kreis nur zum Schein an der Pfeife zog.
Mit dem Sohn des Soldatenkönigs Friedrich II. deutete sich jedoch ein Generationskonflikt an. Leopold, der sich in wichtigen Feldzügen ohne Kommando sah, erwog den Wechsel in kursächsische oder habsburgische Dienste.
Der "Alte Dessauer" steht bis heute für zahlreiche militärische Neuerungen zur Verbesserung der Infanterie, Disziplin und Geschwindigkeit. Unter ihm bildete sich der typische preußische Exerzierschritt aus. Leopold führte außerdem den eisernen Ladestock anstatt des häufig zerbrechenden hölzernen ein. Allerdings waren diese Anregungen bereits unter Zeitgenossen umstritten, wie auch seine bis an die Grenzen militärischer Verantwortung reichende Rücksichtslosigkeit in der Kriegstaktik, die außerordentlich hohe Verluste nach sich zog und den Verdacht weckte, daß Leopold "im Kriege stets nur den Sieg an sich, aber nie den Preis, um welchen er erkauft werden mußte, in Betrachtung zog". Auch die rüde Praxis der Massenrekrutierungen in dem Zwergstaat des "militärischen Genies" (H.D. von Bülow) und der Drill selbst wurden scharf kritisiert.
"Ich kauffe viell güther":
In seiner späteren Regierungszeit bemühte Leopold sich um die Stärkung seiner Hausmacht, indem er ab 1730 systematisch die letzten Rittergüter in Anhalt-Dessau aufkaufte. Leopolds Grunderwerb ging jedoch ebenso auf Kosten der Stadt Dessau und einzelner Bürger, die unter Druck oft weit unter dem privaten Bodenpreis zum Verkauf bewogen wurden. Auch mit der Zahlungsmoral des Landesfürsten war es übel bestellt. Unter den Schulden, die er bei seinem Tod hinterließ, waren zahlreiche Forderungen einfacher Leute. Die Freigüter seiner 10 Kinder hatte er aus Bürger- und Bauernland zusammengefügt. Diese Ausweitung des Domänenbesitzes bildete eine starke finanzielle Grundlage für die kulturellen Leistungen der Nachfolger Leopolds, besonders seines Enkels Friedrich Franz, hatte jedoch die Verelendung großer Teile der bäuerlichen Bevölkerung zum Preis.